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Peru

 

 

6.11.2011                                              Kilometerstand:     6 660 km                                               Höhe:       0 m

Ich bin heute extra früh aufgestanden um möglichst einer der ersten beim Grenzübertritt zu sein. Eine breite völlig leere Autobahn führt an die ecuadorianisch-peruanische Grenze. Das Wetter ist ideal und ich bin allein auf der Strasse. Auf der anderen, durch eine Betonbarriere abgetrennten Fahrbahnseite, winken mir zwei Polizisten ganz aufgeregt zu und bedeuten mir bei nächster Gelegenheit zu wenden und zu ihnen zu kommen, was ich natürlich befolge. Es stellt sich heraus, dass das Abfertigungsgebäude für die Ausreise wie für die Einreise auf der Gegenfahrbahn ist. Als der Ausreisestempel im Pass ist frage ich den Beamten was denn mit dem Papier für die vorübergehende Einfuhr des Motos zu machen sei. Er zuckt mit den Schultern, das könne ich behalten. Wieder im Sattel, kommen mir erhebliche Bedenken wegen des Zolls, da ich ja eines Tages wieder einreisen möchte und dann bekäme ich ganz enorme Schwierigkeiten, weil das Motorrad ja nie offiziell ausgeführt wurde. Also frage ich den nächsten Beamten nach dem Zoll. Der sei in Richtung Arenillas etwa 3 Kilometer entfernt. Als ich nach 7 Kilometern noch kein Zollgebäude sehe, kehre ich ungläubig wieder um und frage einen Polizisten an einer Tankstelle. Der erklärt mir es seien noch weitere 7 Kilometer. Auch wenn ich mir nicht vorstellen kann, dass der Zoll für die Aus- und Einreise so weit von der Grenze entfernt sein soll, mache ich mich auf den Weg. Und tatsächlich, 25 Kilometer vor der Grenze, am Stadtrand von Arenillas, finde ich den ecuadorianischen Zoll. Der Empfang ist ausgesprochen freundlich. Man nimmt das Papier in Empfang und löchert mich mit den üblichen Fragen rund um das Motorrad und um meine Reise, was aber mit Zollformalitäten alles nichts zu tun hat. Überhaupt hat sich auf der ganzen Reise bisher noch niemand um den Inhalt meiner Taschen und Koffer interessiert. Die Einreise nach Peru macht weniger Probleme, obwohl auch hier das Büro für die Ein- und Ausreise wieder auf der Gegenfahrbahn ist. Der freundliche Zollbeamte ermahnt mich nochmal eindringlich bei der Ausreise nicht zu vergessen das Formular für die passagere Einfuhr abzugeben. Vor dem Gebäude der Grenzpolizei, wo ich mir den erforderlichen Stempel für die Einreise hole, werde ich von einem Bikerpärchen aus Ecuador angesprochen, das mir ans Herz legt unbedingt eine SOAT (Seguro Obligatorio de Accidentes de Trafico), also die obligatorische Unfall-Versicherung, für Peru abzuschliessen, da die Polizei bei Kontrollen unerbittlich danach frage und Probleme mache, wenn sie fehle. Das gleiche erzählt mir ein junges Paar aus Peru. Die Polizei sei sehr maligne und man käme dann nur mit „Soborno“ (Bestechungsgeld) weiter. Diese SOAT bekäme man aber nur in Lima für 4 Wochen, sonst müsse man sie für ein Jahr abschliessen. Na ja, das kennen wir ja schon aus Kolumbien. Danach wünschen sie mir noch eine gute Fahrt, ich solle ihr Land genießen, vor allem das gute Essen und nicht alle Leute seien schlecht. Mit all den guten Ratschlägen versehen mache ich mich auf den Weg und sammle bisher nur gute Erfahrungen. Im Vertrauen auf meine US-amerikanische Versicherung besorge ich mir keine SOAT, werde aber auch nie danach gefragt. Die Fahrt geht auf ausgesprochen guten Straßen entlang der pazifischen Küste durch eine trockene Wüstenlandschaft, die bewachsen ist mit Büschen und Akazien. Am Nachmittag erreiche ich die Stadt Piura wo ich erst einmal Station mache und nach einem sehr leckeren Ceviche und einer erfrischenden Cerveza erschöpft ins Bett falle.

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7.11.2011                   Kilometerstand:  7 017 km                                      Höhe:    85m

Von Piura nach Chiclayo gibt es zwei Routen, eine etwas kürzere, die ich nehme, mitten durch den „Desierto de Sechura“. Eine Zweite führt auch durch diese Wüste, verläuft aber später am Rande der Ausläufer der Cordillera Occidental. Ich fahre auf der Carretera 1 stundenlang durch eine Wüste, die genauso aussieht, wie ich mir als Kind eine Wüste vorgestellt habe: feiner gelber Sand bis zum Horizont. Die ganze Zeit über besteht heftiger Seitenwind, für den dieser Streckenabschnitt berüchtigt ist und so gibt es auch immer wieder ganz erhebliche Verwehungen und Versuche von Wanderdünen die Straße zu überqueren. Ganz selten trifft man auf Ansiedlungen am Wegesrand und sie können nicht winzig genug sein, als dass sie nicht eine kleine, meist sehr bunte Kirche zierte. Entsprechend fromm sind auch die Ortsnamen, „La Virgen de Fatima“, „El Corazon de Jesus“ u.s.w.. Dafür haben Restaurants am Wegesrand manchmal recht seltsame Bezeichnungen wie z.B. „Restaurante Apocalipsis“. Wenn das nicht einladend klingt!

Sandwüste

Sandwüste

kleines buntes Kirchlein

kleines buntes Kirchlein

Ich gerate in eine Polizeikontrolle und erwarte Schlimmes, aber der freundliche Polizist möchte nur wissen woher ich komme und stellt dann die üblichen Fragen rund um das Motorrad, keine Papiere, nichts!  Gegen 5 Uhr nachmittags habe ich mein Ziel Trujillo erreicht. Nach dem Abendessen gehe ich noch in die kleine Hotelbar, wo ich einen Pisco Sour bestelle und zu meiner Überraschung gleich zwei kredenzt bekomme, einen mit weniger, einen mit etwas mehr Zucker, um so entscheiden zu können wie ich’s lieber hätte. Der weniger Süße sagt mir mehr zu, so dass ich einen Weiteren bestelle. Der Barkeeper zuckt bedauernd mit den Schultern und zeigt mir die leere Piscoflasche. Ein älterer Herr am Nachbartisch, ganz offensichtlich ein Stammgast, mischt sich ein und staucht den Keeper zusammen, wie man Touristen so behandeln könne, er solle gefälligst Nachschub holen. Es entspinnt sich ein Gespräch in dessen Verlauf der Barkeeper verschwindet um kurz darauf  mit einer Flasche feinsten Piscos zurückzukommen und sich sofort daranzumachen mir einen weiteren Pisco Sour zu mixen. Von den 4 konsumierten Piscos musste ich nur 2 bezahlen und jetzt versinke ich ganz selig in den Kissen.

8.11.2011                              Kilometerstand:   7 496 km                                                            Höhe:   0 m

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Also ich muss sagen die Navigations-Software für Peru funktioniert erheblich besser als die der vorhergehenden Länder und dementsprechend war es überhaupt kein Problem aus Trujillo herauszufinden. Es geht weiter wie bisher durch eine ausgedehnte Sandwüste, die aber jetzt in ganz erheblichem Ausmaß, wie auch schon kurz vor Trujillo, bewirtschaftet wird. Maisfelder werden abgelöst von Zuckerrohrplantagen, ausgedehnten Spargelfeldern und anderen Gemüsearten, soweit das Auge reicht. Danach führt die Straße in sanften Schwüngen in die Ausläufer der Cordillera Occidental, die mich schon geraume Zeit begleitet. Kein Baum, kein Strauch, die Berge muten an wie riesige Dünen, eine faszinierend schöne Landschaft. Auf dem Weg in die nächste größere Stadt, Chimbote, trifft man immer wieder auf diese gigantischen in der Wüste angelegten Plantagen. Kurz vor Chimbote, in Santa, geht’s links ab Richtung Cañon del Pato. Ich habe mir das sehr lange überlegt, ob ich diesen Abstecher wagen soll. Nach Pauls Bericht eine Schotterstrecke von mehr als 70 km, Sand, loses Geröll, einspurig, auf einer Seite steile, oft überhängende Felswände, auf der anderen geht’s genauso steil, ungesichert ab in den Cañon, jede Menge finstere Tunnels, kaum Verkehr. Was ist, wenn da was passiert? Ein Platten wäre da noch das geringste Übel. Kurz und gut, die Neugier auf den Cañon überwiegt das Gefühl der Langeweile bei weiterer Fahrt durch die Wüstenlandschaft der pazifischen Küste. Es kommt Alles so wie Paul es geschildert hatte,  eine enge einspurige Schotterstrecke mit zum Teil abenteuerlichen Holzkonstruktionen als Brücken (manche waren auch in Ordnung!), enge Tunnels ohne Ausweichmöglichkeit, in denen es finster ist „wie in einem Bärenarsch“ wenn man aus gleißender Sonne in sie eintaucht und eben dieser verdammte lose Schotter, den ich genauso hasse wie tiefen Sand.

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Vor dem Start reduziere ich den Reifendruck vorn und hinten noch etwas, damit das Fahren etwas stabiler wird. Mein Moto wird arg hergenommen, es tut mir in der Seele Leid. Dreimal muss ich anhalten um den locker gerüttelten rechten Spiegel wieder zu befestigen. Zu alledem fahre ich um 12 Uhr Mittags in brütender Hitze (34 °C), was angesichts der Strecke gar nicht nötig wäre um das Hemd durchzuschwitzen. Übrigens gibt es da immer wieder so ein Verkehrsschild, das mir schon in der Wüste auffiel, „Mantenga su Derecha“ was ich mit „Beharren Sie auf Ihrem Recht!“ übersetzt habe. Und daran halte ich mich auch! Vermutlich würde Brigitte mich wieder einmal korrigieren und behaupten es hieße etwas ganz Anderes!? (wie z.B. „bleiben Sie rechts“)

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Also ich will hier nicht lamentieren, es hat sich wirklich gelohnt. Man fährt in absoluter Einsamkeit, in lebensfeindlicher Umgebung, ganz weit oben sieht man auf felsigem Grund einzelne Kakteen unten im Cañon rauscht der Rio Santa. Faszinierend sind auch die verschiedenen Formen und das Farbspiel der Felsen von Ockergelb über Grün und Rot bis hin zu Schwarz, wobei Letzteres anmutet wie Steinkohle. Bei aller Faszination bin ich aber nicht unfroh als ich das Ende des Cañons erreiche und nicht die versprochene Schlaglochpiste, sondern eine brandneue, asphaltierte Straße vorfinde, auf der ich nun ganz zügig die letzten 80 Kilometer abspulen und mich dabei auf 3080 m hochschrauben kann. Gegen 4 Uhr nachmittags erreiche ich mein Hotel in Huaraz, wo ich nach dem schon Routine gewordenen Skype-Anruf zu Hause erst mal eine heiße Dusche nehme. Danach schwinge ich mich sofort wieder auf’s Moto um die von Paul empfohlene Kneipe eines Schweizers, den „Inka-Pub“ aufzusuchen. Das Navi arbeitet perfekt, bleibt vor einer Kneipe stehen auf deren Tür „suizo-peruano“, und auch „Monte Rosa“, aber eben nicht Inka-Pub, sondern „Pizza-Pub“ steht. Auf die Frage nach dem „Dueño suizo“ zuckt die Wirtin mit den Schultern. Ich esse dort trotzdem ganz hervorragend und auch das „Cusqueña“ (Bier) ist nicht schlecht. Ich kann es gar nicht glauben, weil die Seite des Schweizers im Internet mit dieser Adresse noch aktiv ist und er auch für touristische Touren wirbt. Schließlich finde ich die Reiseagentur von diesem Enrique, sie ist aber geschlossen. Eine sehr freundliche, junge Peruanerin, die nebenan in einem Zahnlabor arbeitet, erklärt sich bereit mit mir zu einer öffentlichen Telefonzelle zu gehen um ihn von dort aus anzurufen. Das finde ich äußerst „amable“, wenngleich es auch nichts bringt, er ist nicht erreichbar (angeblich sei er nach der Trennung auf der Flucht vor seiner Frau).  Also tigere ich zurück zum Hotel und schreibe bei ein paar „Cusqueña“ diesen Bericht und finde, dass das langsam zur Arbeit ausartet. Eigentlich müsste ich längst die restlichen Bilder von Kolumbien und Ecuador eingestellt haben, aber, na ja, vielleicht wird’s ja noch mal.

10.11.11                                   Kilometerstand:   7 854 km                                                        Höhe:   3 080 m

Im Prinzip sollte das heute ein ganz entspannter Tag werden. Vor dem Frühstück gehe ich runter zum Moto um die Luft wieder aufzufüllen, die ich am Vortag wegen der Schotterstrecke abgelassen habe. Das funktioniert auch beim Vorderrad, aber beim Hinterrad hat die Pumpe scheinbar einen „Kurzen“ und haut mir die Sicherungen aller drei Steckdosen am Motorrad raus. Der zweite Totalausfall, die Kamerahalterung hat den gestrigen Schütteltest nicht überstanden. Dennoch mache ich mich, nachdem ich an einer Tankstelle den Druck am Hinterrad angepasst und  vollgetankt habe, bei strahlendem Sonnenschein gut gelaunt auf den Weg nach Lima. Kaum merklich steigt die hervorragend asphaltierte Straße in leichten Bögen an. Nach etwa zehn Kilometern plötzlich ein Stau von einigen Autos, an dem ich mich erst einmal vorbei mogle. Schließlich stehe ich vor einer Straßensperre mit einem großen Steinwall und seitlich lichterloh brennenden Autoreifen. Eine Protestdemonstration wofür oder wogegen auch immer.

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Davon gehört hatte ich zwar schon öfter, vor allem die Bolivianer sollen ganz groß darin sein, aber selbst erlebt hatte ich es noch nie. Mit einer Geste frage ich die Streikposten ob ich da durchfahren könne und sie nicken zustimmend, wohl in der Hoffnung, dass das schief gehen könne. Ich komme mir ein wenig vor wie beim Zirkus als ich Gas gebe und zwischen den eng nebeneinander liegenden brennenden, vor allem stark rußenden Reifen hindurchrausche, bloß nicht hängen bleiben. Soweit finde ich das ja noch irgendwie interessant, vielleicht auch ein wenig amüsant. Das ist aber noch lange nicht Alles. Im ganzen Dorf liegen eng an eng große und sehr große Steine so über die Straße verteilt, dass mit dem Auto auf keinen Fall, mit dem Motorrad mit einer gewissen Geschicklichkeit ein Durchkommen ist. Das ist nun in jedem Dorf dasselbe, mal mit, mal ohne brennende Reifen. Ganz übel ist es in einem Dorf wo sie zwischen den Steinen noch massenhaft ganz grobe Glasscherben verteilt haben. Ich steige ab, da dort gerade niemand daneben steht, und beseitige mit dem Stiefel die gröbsten Scherben, in der Hoffnung, dass meine Reifen mit den Kleineren schon fertig werden könnten. Zur Sicherheit schalte ich danach die Luftdruckanzeige ein um rechtzeitig sehen zu können wenn die Reifen Luft verlören – und das bei defekter Pumpe!! Diese Hindernisse sind nicht nur am Eingang und Ausgang jeden Dorfes, sondern ziehen sich meist durchs ganze Dorf. Überall sieht man die Bewohner voller Stolz in Schubkarren neue Hindernisse herbeischleppen. Einmal muss ich über einen Baumstamm fahren, der über die ganze Straßenbreite liegt. Dann scheint endgültig kein Durchkommen mehr. Eine Brücke, auf die sie mit einem Radlader große Felsenbrocken gelegt haben, versperrt den Weg. Ich steige ab und mustere die Möglichkeiten und entscheide, dass es doch gehen könnte, und es ging. Was mich dabei erstaunt, ist die Gleichgültigkeit mit der die Leute das geschehen lassen. Na ja, es sind meist Jugendliche, die das vielleicht sportlich sehen. Immer wieder versperren auch quer gestellte Radlader und LKWs die Straße. Schließlich komme ich an eine Sperre an der in Zweier- und Dreierreihen LKWs, Busse und PKWs stehen, für die es kein Weiterkommen gibt. Ambulante Händler haben sofort angefangen dort ihre Geschäfte zu machen. Ich kann mich mal seitlich, mal dazwischen vorbei mogeln. Die Schlange ist bestimmt schon drei Kilometer lang und ich kann mir nicht vorstellen, dass man diese vielen Verkehrshindernisse in einem Tag wieder beseitigt haben könnte. Danach geht es eine Weile wieder problemlos weiter bis ich auf einen Sandwall stoße, den ein Radlader auf die Straße geschoben hat. Ein Tankwagen der versucht hat ihn zu überwinden, ist dabei umgekippt und im Straßengraben gelandet. Mit dem Moto ist es nicht so dramatisch das Hindernis zu bewältigen. Die folgenden Kilometer kann ich zügig unter die Räder nehmen und erleichtert durchatmen. Nicht vorzustellen was ich gemacht hätte wenn ich nicht durchgekommen wäre, ich kann ja schlecht auf dem Motorrad übernachten, bei der Kälte auf mittlerweile 3500 Metern, denn Unterkünfte gab es in diesen Käffern bestimmt nicht. Plötzlich steht da in dieser gottverlassenen Gegend ein Peruaner am Straßenrand und trampt, er will allen Ernstes mit auf’s Moto. Es ist ein vielleicht 35-jähriger Mann, der behauptet der Bus sei ihm weggefahren und er wolle ihn wieder erwischen. Ich fahre wie der Teufel, überlege mir dann aber, dass das mit dem Bus gar nicht sein kann, da wegen der Straßensperren außer mir hier seit Stunden Keiner mehr gefahren sein konnte. Ist ja auch egal, wenn ich ihm damit einen Gefallen tun kann, sei’s drum.Wir fahren durch eine öde Steinwüste mit hohen Bergen um uns herum, die alle über 5000 Meter hoch sind und nähern uns immer mehr der Passhöhe die bei 4 112 m liegt. In einer Kurve laufen einige Männer, die uns bedeuten, dass wir umdrehen sollten, da es kein Weiterkommen gäbe. Wir fahren trotzdem weiter. Im Dorf, das wir kurz darauf erreichen, versperrt eine riesige Menschenmenge die Straße. Ich verlangsame die Fahrt und bleibe schließlich stehen, sofort eng umringt von vielleicht hundert dicht an dicht stehenden, finster dreinblickenden Indigenas. Die Einen wollen unmissverständlich Geld, Andere führen in eindeutiger Gestik die Hand an den Mund. Ein Weiterer will wissen was ich da um den Hals hängen habe (Uhr mit Kompass). Jetzt bloß nicht die Nerven verlieren, auf keinen Fall das Portemonnaie zücken und Geld verteilen. Also sage ich laut und vernehmlich, dass ich kein (verhasster) „Gringo“, sondern „Alemán“ bin und ihr schönes Land bereise aber „lamentablamente“ nicht spanisch spreche „solamente pocas palabras“ (nur wenige Worte). Jetzt sind sie schon etwas zurückhaltender. Der Wortführer, ein älterer Mann sagt, wenn du Deutscher bist, dann hast Du doch sicher einen Pass. Ja, den habe ich, ich gebe ihn aber nicht aus der Hand, entgegne ich. Zeigen wäre auch o.k. meint er, woraufhin ich meinen Pass für alle sichtbar zeige, dann die Seite mit dem Bild aufschlage und sie grinsend neben mein Gesicht halte (ohne den Helm abgenommen zu haben!). Ich glaube das hat sie ein wenig beschwichtigt. Als dann mein Beifahrer ihnen noch erklärt, dass ihn sein „Amigo Alemán“ beim Trampen mitgenommen hat und ihn jetzt freundlicherweiser zu seiner Frau fährt, haben sie ein Einsehen mit uns, die Wand aus Menschen tut sich auf und wir können passieren. Erleichtert gebe ich Gas und  kann ich meinen „Amigo Peruano“ eine Stunde später zu Hause bei seiner Frau absetzen. Ich glaube er hat mir da oben sehr genützt und schließlich den Ausschlag gegeben, dass die Stimmung zu meinen Gunsten gekippt ist.

Con mi amigo peruano

Con mi amigo peruano (vor seinem Haus)

Die Fahrt geht von über 4 000 Metern in unzähligen Kehren auf praktisch 0 Meter auf die Panamericana, die mich schon mit dem gewohnten Bild einer Wüstenlandschaft erwartet, von 10 °C auf 26 °C. Schon über 40 Kilometer vorher beginnen die Vorstädte, die übergangslos in den Moloch Lima führen. Auch hier hat mich das Navi wieder „astrein“ zu der angegebenen Adresse geführt. Was weder ich noch mein Navi wusste ist, dass man die mehrspurige autobahnähnliche Straße (Autovía Exprés) nicht mit dem Motorrad befahren darf. Aber das wird mir dann sehr freundlich von einer Polizeistreife erklärt, die auch mit dem Motorrad unterwegs ist. Auch er interessiert sich mehr für das Moto und die Reise als für meine Papiere und wünscht mir viel Glück. Den Tag habe ich heute schön ausklingen lassen in einem Restaurant, das ins Meer hinausgebaut ist, natürlich mit Ceviche, Pisco Sour und Vollmond, draußen auf der Terrasse bei tosender Brandung. So kann man eben auch einem solchen Tag noch etwas Schönes abgewinnen, wenngleich es natürlich viel schöner wäre das zu zweit zu genießen.

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11.11.11                       Kilometerstand:   8 259 km                             Höhe:      0 m

Eigentlich wollte ich mir heute vor dem Start noch ein wenig die Stadt ansehen, aber angesichts des wirklich chaotischen Verkehrsgewühls habe ich beschlossen das auf das nächste Mal zu verschieben, wenn ich mit Edith da bin und dann die Zeit nicht so drängt. Das ist auch der Grund warum ich Machu Pichu und vielleicht auch Nasca zunächst einmal links liegen lassen werde. Wie erwartet dauert es über eine Stunde bis ich mich aus den Ausläufern der Stadt heraus gearbeitet habe. Dabei lande ich zunächst auf der „Antigua Panamericana“, einer grottenschlechten Schlaglochpiste mit dazu noch dichtestem LKW-Verkehr. Nach etwa 15 Kilometer hat das Trauerspiel ein Ende, es gibt einen Abzweig auf die autobahnähnlich ausgebaute, brandneue PanAm. Autobahnähnlich, weil hier schon mal Eselgespanne oder Ähnliches die Fahrbahn kreuzen oder Radfahrer auf dem Seitenstreifen in Gegenrichtung fahren. Die Landschaft ist, wie auf der Strecke vor Lima, rechter Hand von Wüsten und Sanddünen, links von den Ausläufern der Kordillere geprägt. In der Nähe von Städten kann man die erfolgreichen Versuche die Wüste zu kultivieren bewundern. Hin und wieder zeigen sich herrliche Sandstrände und einsame, malerisch zwischen Felsen gelegene Buchten. Mal lässt die Sonne das Meer tiefblau, mal türkis erscheinen. Die Fahrt vergeht heute wie im Flug und so bin ich bereits vor 13 Uhr an meinem Zielort Pisco angelangt, wo ich das wirklich hübsche Hostal „Villa Manuelita“ beziehe, das direkt an der Plaza de Armas liegt. Es wurde ebenso wie die gegenüberliegende Kathedrale 2007 bei einem Erdbeben der Stärke 8 (!!) schwer mitgenommen. Der vordere Teil des Hostals brach zusammen, während der damals schon bestehende neue Teil, Dank seiner Bauweise, ohne Schaden davon kam. Damals waren 80% des Ortes dem Erdboden gleichgemacht. Die Kirche traf das Erdbeben während einer Messe. Sie sank in sich zusammen und begrub etwa 100 Menschen unter sich. Insgesamt fanden bei diesem Erdbeben etwa 1200 Menschen den Tod. Die Stadt verleiht ihren Namen einem Schnaps, der aus hellen Trauben hergestellt wird und der die Grundlage des „Pisco Sour“, eines ausgesprochen leckeren Longdrinks bildet. Pisco ist auch Ausgangspunkt für Bootsausflüge zu den vorgelagerten „Islas Ballestas“ einem Vogel- und Seelöwenparadies, das auch als „Galapagos für Arme“ bezeichnet wird. Das habe ich mir für Morgen vorgenommen habe und werde daher einen motorradfreien Tag einlegen.

12.11.2011                         Pisco

Ruine des zerstörten Rathauses an der Plaza de Armas

Also Edith hat mich wegen dieses und des folgendes Bildes kritisiert, der Text sei missverständlich. Das weiße Gebäude auf obigem Bild sieht aus wie eine Kirche, ist aber das alte Rathaus. Obwohl es äußerlich noch einigermaßen gut erhalten aussieht ist es tatsächlich,vor allem innen, total zerstört. Es wohnen nur noch tausende von Tauben drin. Auf dem unteren Bild ist die neuerrichtete Kirche, der Backsteinbau neben dem Rathaus, hinter dem Denkmal versteckt. Sie ist noch nicht ganz fertig und wurde auf den Trümmern der alten Kirche errichtet bei der kein Stein mehr auf dem anderen stand.

Plaza de Armas, im Hintergrund die neuerrichtete Kirche

so kann man Machu Picchu auch schreiben!

Pelikane am Strand

der „Pelikanflüsterer“

Vogelkolonie auf den Islas Ballestas

Seelöwen

Moto-Reinigung in Pisco

La Villa Manuelita, Pisco

Innenhof der Villa Manuelita

erdbebensichere, elastische Lagerung der Säulen

Pisco Sour in Pisco im As de Oro’s

Die Bewertung der im „Lonely Planet empfohlenen Lokale entspricht nicht meinen Erfahrungen. Das „Don Santiago“ gibt es nicht mehr und das mir im „El Dorado“ servierte Essen war indiskutabel. Die Chicharrones von Calamares waren einfach zäh! Zudem war der „Pisco Sour“ ekelig süß! Zum Abgewöhnen! Ich hab’s heute trotzdem noch einmal versucht mit einer Empfehlung von Manuelita bei “ As de Oro’s“, und ich hab’s nicht bereut.Der Sudado, vergleichbar einer Bouillabaisse, war eine echte Offenbarung und der Pisco Sour war vom Feinsten, weshalb ich von vornherein mit dem Mototaxi, in Afrika und Südostasien heißen sie lautmalerisch Tuk-Tuk, hingefahren bin.

13.11.11                                     Kilometerstand:   8 484 km                                            Höhe:     0 m

Pisco – Nazca ist vergleichsweise ein Katzensprung. Kaum habe ich Pisco verlassen ist schon wieder Alles wie gehabt, wieder nur Wüste. Kurz vor Erreichen der Stadt passiert die Panamericana die berühmten Geoglyphen, Scharrbilder in der Wüste, die Linien von Nazca, deretwegen die Touristen in Scharen hierher kommen. Diese Linien sind auf ca. 500 qkm verteilt und nur vom Flugzeug aus einigermaßen gut zu erkennen. Ich erspare mir das, um es dann mit Edith zusammen bei unserer Rückkehr zu genießen. Am Rande von Nazca befindet sich übrigens der „Cerro Blanco“, die mit knapp 2 100 m höchste Düne der Welt.  Der Ort selbst macht einen sehr sauberen, aufgeräumten Eindruck, ist mir aber einfach zu touristisch. Man hört alle europäischen Sprachen, sehr viel deutsch, und trifft neben bildungsbewussten, pensionierten Lehrern auch esoterisch durchdrungene Wesen auf Sebstfindungstrip, die einen dann beim Frühstück mit Panflötenmelodien, ganz offensichtlich eigener Komposition, unterhalten. – Nix wie weg hier!

Die höchste Sanddüne der Welt, knapp 2100 m

14.11.2011

Nazca – Arequipa, fast 600 km reine Wüstenlandschaft, ganz selten mal unterbrochen von Kulturlandschaft im Bereich von Flussmündungen , dort wo die Kordillere sich der Küste nähert. Hunderte Kilometer Sandstrand wechseln sich ab mit bizarren Steilküsten, deren felsige Kanten oft mehrere hundert Meter zum Meer abfallen.

Sandstrand „ad libidum“

weiter hinten beginnt die Steilküste

Bei diesen makellosen Sandstränden von oft einigen Kilometern Breite und unvorstellbarer Länge kommt mir die Idee dort am Strand mein Handtuch hinzulegen, damit der Platz nicht besetzt ist wenn ich in einigen Monaten wieder vorbeikomme. Aber ich sollte vielleicht ein Deutschlandfähnchen daneben platzieren, damit es auch ernst genommen wird. Na ja, wie auch immer. Arequipa ist eine wunderschöne Stadt mit vielen Highlights. In erster Linie ist hier wohl die Plaza de Armas  mit ihrer herrlichen Kathedrale zu nennen. Ich quartiere mich in der „Casa del Melgar“ einer Villa aus dem 18. Jh. ein, einem wirklichen Juwel der historischen Altstadt. Mein Moto durfte noch nie in so erhabenem Ambiente nächtigen.

La Casa de Melgar in Arequipa

Mein Zimmer, Innenansicht

Mein Zimmer, Außenansicht

angemessene Unterkunft für das Moto

Plaza de Armas mit Kathedrale, Arequipa

15.11.2011                     Kilometerstand:  9 300 km

Heute  ging es nur darum den Sprung bis zur chilenischen Grenze zu schaffen. Der Weg aus Arequipa heraus war ganz einfach, ebenso wie den Abzweig nach Tacna zu finden. Aber danach, wie immer, gibt es zwei Möglichkeiten und, dank fehlender Auszeichnung, wähle ich die Schlechtere, das heißt Längere, an der Küste entlang, die in meiner Karte als Schotterpiste gekennzeichnet ist und (zumindest in der Karte blind endet. Ich finde dann aber auf einer, in der Karte nicht verzeichneten, asphaltierten Straße auf den „rechten Weg“ zurück. An den letzten beiden Tankstellen habe ich dankend abgelehnt, weil es nur Benzin mit 90 Oktan gab. Das rächt sich nun bitter, denn es folgt eine stundenlange Fahrt durch die Wüste auf einer Hochebene. Ich habe nur noch Sprit für weitere 20 Kilometer. Angeblich bin ich nur noch 10 Kilometer von meinem Ziel Tacna entfernt aber es zeigt sich nicht ein Hinweis auf die Nähe einer Stadt oder gar einer Tankstelle. So langsam kommen mir Zweifel ob der korrekten Navigation. Aber dann, wie aus dem Nichts, erscheint tief unter mir im Tal das ersehnte Ziel, Tacna.

und wieder Wüste soweit das Auge reicht

16.11.2011

In diesem Hostal in Tacna gibt es kein Frühstück dafür aber den Verweis auf ein nahe gelegenes Café. Als ich mich zum Aufbruch fertig mache erscheint im „Gelben Trikot“ des Tourgewinners Alvaro, ein Kolumbianer, der vor etwa einem Jahr mit dem Fahrrad in San Diego / Kalifornien gestartet ist und noch bis nach Ushuaia möchte, sich aber dafür auch noch mal 1 bis 2 Jahre Zeit nehmen will. Er überredet mich nicht ins Café sondern mit ihm in den großen Mercado zu gehen. Nie wäre ich von mir aus auf die Idee gekommen in diesem, zweifellos sehr malerischen, Ambiente frühstücken zu gehen. Überall geschäftige Menschenmassen, dazwischen riesige Stände mit Obst, Gemüse, Fleischstände mit frisch Geschlachtetem und natürlich etliche Fischhändler die ihren frischen Fang anbieten und irgendwo in diesem Gewühl eine etwa 20 Meter lange Theke an der alles Mögliche zum Frühstück angeboten wird. Es stehen etliche große Krüge mit verschiedenen Säften und anderen Getränken zur Auswahl, von denen mich der sehr sauber und adrett gekleidete Standbesitzer auch probieren lässt, aber keines entspricht meinem Geschmack. Ich nehme dann eine Tasse Kaffee und ein Bocadillo mit Palta (ein Weißbrot mit Avocado). Das Frühstück hier ist ein sehr schönes, kommunikatives Erlebnis.

Frühstück im Mercado mit Alvaro

Alvaro will in 1 Jahr in Ushuaia sein

Danach werden die letzten Kilometer Peru unter die Räder genommen. An der peruanischen Grenzstation möchte der Zöllner, der noch ziemlich jung ist und keinen Plan hat, irgendein Papier von mir haben, das ich aber nicht habe. Er wühlt in verschieden Schubladen, um mich dann erneut nach diesem Papier zu fragen. Als ich abermals bedauere, wühlt er erneut in den gleichen Schubladen wie zuvor, holt hier und da ein Formular heraus und legt es danach wieder zurück. Die gleiche Szene wiederholt sich einige Male bis er mir schließlich sagt: „un momentito“. Er geht an die offene Tür und blinzelt ein wenig in die Sonne während ich mich nicht von der Stelle rühre. Nach vielleicht 5 Minuten hat er offensichtlich den rettenden Einfall. Er geht an die gleiche Schublade, die er schon etliche Male auf- und zugemacht hatte, zieht ein Formular in 4-facher Ausfertigung heraus, das ich nun ausfüllen und damit zu einem Kollegen gehen sollte. Danach geht Alles ganz zügig und ich kann zum chilenischen Grenzübergang rollen, wo Alles problemlos abläuft, aber das erste Mal auf dieser Reise mein Gepäck kontrolliert wird.

Abschied von Perú

2 Kommentare

    • Kathy Kage auf 12.11.2011 bei 15:50

    Lieber Peter,
    ich verfolge Deine Reise beinahe genauso intensiv wie Paul’s Reise vor einem Jahr. Es ist interessant und spannend. Ich wünche Dir weiterhin eine gute und sichere Fahrt und dass sie Dir nicht wieder so viele Steine in den Weg legen. Das hast Du ja mit Bravour gemeistert.
    Liebe Grüße, Kathy

    • Brigitte Epha auf 14.11.2011 bei 23:46

    hola hola Peter,
    espero que estés bien. que quiere conseguir la Gente con las piedras en las carreteras? menos mal que pudiste pasar tu. pues me encanta tu reportaje, no es sólo muy interesante, sino tambien está bien escrito.
    aaaah y una cosa …“Mantenga su derecha“ ya sabes que significa poque veo tu cara entre las lineas…
    bueno, sigue asi
    saludos y un abrazo
    Brigitte

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