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Argentinien

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3.12.2011                                                     Kilometerstand :  12587 km                                                      Höhe:  0 m

Nach wirklich hochalpinem Aufstieg auf chilenischer Seite erreichen wir nach unzähligen Kehren die Staatsgrenze Chiles, wo wir einfach durchgewunken werden. Misstrauisch bleibe ich trotzdem stehen und die charmante Zollbeamtin erklärt mir, dass in 14 km Entfernung ein argentinischer Grenzposten sei. Mit sehr ungutem Gefühl fahre ich weiter, eingedenk der Mahnung bei der Einreise, was alles passieren kann wenn ich das chilenische Formular bei der Ausreise nicht abgebe. Tatsächlich, nach 14 km steht da mitten auf der Straße so eine kleine Holzhütte mit einem argentinischen Zöllner, dem sie auf den Leib geschnitten scheint. Aber auch hier werde ich mein Dokument über den vorübergehenden Import des Motorrades nicht los. Statt dessen bekam ich von ihm einen handgeschriebenen Zettel mit dem Nummernschild meines Motos und einem Stempel. Dann sein Hinweis die gemeinsame Grenzstation sei in 17 km Entfernung. Tatsächlich erreichen wir nach der angegebenen Strecke eine nicht zu übersehende chilenisch-argentinische Grenzstation, wo auch die Einreise- und Zollformalitäten im Nu erledigt waren nachdem man uns an einem Bus vorbei gewunken hat. Alles wäre perfekt, hätte ich den Stempel in unseren Pässen sofort kontrolliert und nicht erst in Mendoza. Diese zwar netten aber doch verpennten Grenzpolizistinnen haben statt dem 3.12. den 3.11. als Einreisedatum in den Pass gestempelt, das heißt ich darf nur 60 Tage im Land bleiben statt 90. Dafür darf mein Motorrad bis zum 30.7.2012 bleiben! Ist aber nicht so dramatisch, weil wir die Grenze weiter südlich so und so noch einmal überschreiten werden. So steil der Anstieg auf chilenischer Seite auch ist, so sanft ist der Abstieg auf argentinischer Seite, keine Kehren, allenfalls leichte Kurven, gefühlt eher eine ewig lange sanft abfallende Straße, die von über 3000 Metern auf ungefähr 500 Meter immer im breiten Tal des Rio Mendoza entlang führt . Ist es beim Aufstieg wegen der steilen Passstraße kaum möglich das Panorama mit den schneebedeckten Gipfeln rund um den Aconcagua, mit 6962 Metern dem höchsten Berg Amerikas, ausgiebig zu geniessen, so können wir beim Abstieg faszinierende Panoramen von unglaublichem Formen- und Farbreichtum auf uns wirken lassen.

Abstieg auf argentinischer Seite

Die Temperatur, die auf der Passhöhe trotz strahlenden Sonnenscheins bei etwa 7 °C lag hatte in Mendoza satte 37 Grad erreicht, wir waren im Hochsommer angekommen. Mendoza, die argentinische Weinmetropole, wurde im Jahre 1861 bei einem Erdbeben dem Erdboden gleichgemacht und danach von den Stadtplanern in sehr großzügiger Weise wieder aufgebaut, unglaublich breite Straßen und Plätze riesigen Ausmaßes. Eine sehr schöne Stadt, über die es aber sonst nichts Besonderes zu berichten gibt. Wie klein die Welt doch ist merken wir beim Abendessen, wo wir Patrick und Jocelyne aus Juan-les-Pins treffen, die ich eine Woche zuvor in Valpo kennengelernt habe. Es ist ein sehr lustiger Abend bei dem wir

vive l’amitié franco-allemande!

gemeinsam auf die „Amitié Franco-Allemande“ anstoßen und Nicolas und Angela hoch leben lassen. Der Syrah war anfangs deutlich zu warm, was sich aber unter Zuhilfenahme eines Sektkühlers von Flasche zu Flasche besserte, bis wir schließlich gegen halb Drei den Heimweg antraten. Zur Vorbereitung auf unsere Brasilen-Pläne erzählt Patrick von einem Freund, der in Salvador, wohnt. Eines Tages wird er von einem jungen Mann angesprochen, der ihn unmissverständlich zur Herausgabe seiner Brieftasche auffordert. Als sein Freund das rundweg ablehnt, schneidet er ihm kurzerhand das Ohr ab, woraufhin sich sein Freund ohne weitere Diskussion mit der Geldübergabe einverstanden erklärt. Ganz ähnlich hat mir das auch José erzählt: „Dinero! Con dolor o sin dolor?“ (Geld her! Mit oder ohne Schmerzen?)

5.12.2011                                      Kilometerstand:  13 027 km

Von Mendoza Richtung Süden geht die Fahrt sehr lange durch riesige Weingärten bis wir schließlich in Chilecito ankommen. Wir nehmen zunächst die Schotterstrecke, da sie der kürzeste Weg nach Malargüe ist. Nach 10 km sehr staubiger Fahrt entschließen wir uns umzukehren statt

dann doch lieber die Ruta 40

160 km auf dieser Piste weiterzufahren und nehmen die Asphaltstraße nach San Rafael von wo aus dann eine normale Straße nach Malargüe führt. Das Besondere an San Rafael ist eine super breite und ewig lange Straße, die durch den Ort führt, ohne dass man eine Ortsmitte erkennen kann. Prompt verlassen wir ungewollt den Ort wieder auf der anderen Seite. Ein sehr freundlicher junger Autofahrer, der uns beobachtet hat, hält uns an und fragt ob er helfen kann. Er ist Mitglied im örtlichen Motorradclub und führt uns zur Touristeninformation. Nachdem wir ein sehr hübsches

Hotel „El Jardin“

Hotel gefunden haben, besorgen wir uns Verpflegung in einer kleinen Tienda direkt neben dem Hotel. Zunächst einmal Wasser und als Edith die vielen Kartoffelchips erspäht bekommt sie ganz leuchtende Augen und ist nur noch mit der Frage beschäftigt, mit oder ohne Paprika. Mitten in diese Überlegungen platzt der neugierige Ladenbesitzer mit seiner Frage „de donde viene?“ (woher kommen Sie?) Mit der wie aus der Pistole geschossenen Antwort, „papas fritas!“ (Kartoffelchips!) hat er nicht gerechnet und schaut ganz ungläubig.

6.12.2011                                    Kilometerstand:  13 310 km                                                                Höhe:     680 m

Heute Früh lassen wir’s ganz locker und ruhig angehen, den wir haben ja nur ca. 250 km vor uns. Nach dem Frühstück hole ich das Moto vom verschlossenen Parkplatz. Der Zugang wird mir von einer riesigen Menschenschlange vor einer Bank verstellt, die sich um die Ecke über 2 Cuadras hinzieht (das sind 2 Häuserblocks! 1 Cuadra kann locker 200 m lang sein) Der Señor an der Rezeption erklärt mir, dass die Leute heute ihre Rente abholen. Wir brauchen zwar auch wieder etwas Geld, verschieben das aber angesichts dieser Schlangen (vor jeder Bank) auf einen späteren Zeitpunkt und eine andere Stadt. Bei dem schon üblichen Sonnenschein starten wir, unter dem Klang von Weihnachtsliedern aus Lautsprecherwagen, nach Westen in Richtung Malargüe (das „ü“ wird als „u“ ausgesprochen! Die beiden Punkte besagen, dass das u betont und vom e getrennt ausgesprochen wird). Die Fahrt geht zunächst durch Obstplantagen und riesige Weingärten, die später von Olivenplantagen abgelöst werden. Nach Überwindung der östlichen, niedrigsten Kordilliere sind wir in einer Höhe von ca. 1500 Metern in den unendlichen Weiten der Pampa angelangt. Am Horizont erheben sich die schneebedeckten Gipfel von Vulkanen die bis zu 6000 m hoch sind. Dort ist auch das beliebte Wintersportgebiet „Las Leñas“. Wir machen einen kurzen Abstecher zum Cañon de Atuel, der bei Rafting-Freunden angesagt ist und aus einem

Lago de Atuel

riesigen Stausee gespeist wird. Nach langer Fahrt durch die Pampa ändern wir unsere Richtung von Westen nach Süden und erreichen nach weiteren 50 Kilometern unser Ziel Malargüe am frühen Nachmittag. Nachdem wir uns im Ort ein wenig umgeschaut und auch in einem Straßencafé die Bekanntschaft von 2 Adventure-Fahrern aus Buenos Aires gemacht haben, von denen wir einige wertvolle Tipps bekommen, sehen wir uns nach einer Bank um. Oh Graus, ein ähnliches Bild wie in San Rafael, eine lange Schlange vor dem Geldautomaten! Es hilft nichts, wir stellen uns auch an. Als wir endlich an der Reihe sind und mit dem Spanisch des Geldautomaten kämpfen, gebe ich beim gewünschten Betrag, vielleicht auch etwas verwirrt durch die vielen verschiedenen Währungen, die ich mittlerweile kennengelernt habe, 300 000 Pesos ein (das entspricht etwa 52 000.- € !!) was der Automat rundweg ablehnt. Eigentlich wollte ich ja 3000 Pesos, habe mich dann aber angesichts der langen Schlange mit 300 abgefunden, die ich auch ohne weitere Einwände bekam. Ich versuch’s Morgen nochmal in Ruhe wenn die Schlange weg ist.

7.12.2011                                      Kilometerstand:  13 525 km                                                                Höhe:   550 m

Wie schon gewohnt müssen wir über das Wetter nicht sprechen. Der Himmel hat sich für uns wieder einmal in den Farben Argentiniens gekleidet,

Im Rückspiegel die Farben Argentiniens

ein fantastisches himmelblau, gelegentlich unterbrochen von leichten schneeweißen Streifen. Auf guter Asphaltstraße geht es zunächst wie gehabt gen Süden bis wir nach 70 km auf eine „Gravelroad“ (Schotterpiste) kommen, an der im Augenblick sehr fleißig gearbeitet wird, die aber trotzdem in akzeptablem Zustand ist. Fünfzig Kilometer später überqueren wir das riesige Flussbett des Rio Grande und folgen ihm nun wieder für 70 km auf schlechtem Asphalt. Wir sind, in Patagonien, in der Region „La Payunia“, die über die höchste Dichte an Vulkanen in der ganzen Welt verfügt. Den vulkanischen Ursprung des Gesteins kann man in dem schroffen Formationen unschwer erkennen. Häufig begleiten erstarrte Lavaströme den Straßenverlauf . Dort wo der Rio Grande sich einen Weg durch diese vulkanischen Formationen in Gestalt eines reißenden, tosenden Wildwassers bahnt, geht hinter der Brücke die Straße für die nächsten 50 km wieder in eine staubige „Gravelroad“ über, die jetzt allerdings erheblich schlechter als die vorherige ist und volle Konzentration von Fahrer und Beifahrer verlangt. Wir kommen im etwas tieferen Schotter einmal deutlich ins Schlingern, was sich aber durch äußerste Disziplin von uns Beiden beherrschen lässt. Fast hätte ich’s vergessen, die Szenerie war großartig. Im Vordergrund kleinere Vulkane, die sich aus der topfebenen Landschaft ganz unvermittelt erheben und aussehen wie ein Kind einen Berg malt. Im Hintergrund imponieren bis zu 4 500 Meter hohe schneebedekte Vulkane. Gegen vier Uhr nachmittags erreichen wir einigermaßen erschöpft

Die verdiente Erfrischung in Chos Malal

unsere Tagesetappe Chos Malal, wo wir schon ein ganz süßes Hotel, das „Picun Ruca“, telefonisch reserviert haben. Der „Cajero Automatico“ (Bankomat) ist in dieser netten Kleinstadt nicht so belegt wie im letzten Ort und so können wir uns endlich mit Geld eindecken um uns 2 Flaschen Bier kaufen zu können, die wir uns heute, Fahrer und Beifahrerin, redlich verdient haben.

8.12.2011                        Kilometerstand:   13 880 km                                                                    Höhe:   1 450 m

Die Kulisse unserer heutigen Etappe bilden auch wieder zahllose Vulkane zu beiden Seiten. Die über 130 Kilometer fast schnurgerade Straße führt durch die Pampa, eine Steppenlandschaft, oft bis an den Horizont bedeckt mit dekorativem Pampasgras, das wir aus unseren heimischen Gärten

willkommene Abwechslung

als Ziergras kennen. Eine willkommene Unterbrechung der Eintönigkeit sind große Ziegenherden, die immer mal wieder die Straße überqueren

Gaucho reitet durch die Pampa

oder auch Gauchos welche zu Pferde die Zäune ihrer Estancias kontrollieren. Auf 150 Kilometer treffen wir auf kein Dorf und keine Stadt. In Las Lajas verlassen wir die Ruta 40 in Richtung Chile. Wenige Kilometer vor der Grenze wenden wir uns auf staubiger Schotterstraße nach Süden und

eindrucksvolle vulkanische Felsformation mit Araukarien

folgen dem Tal des Rio Litrán durch eine fantastische Berglandschaft, in der die anfangs nur vereinzelten Araukarien mit ihrer bizarren Erscheinung nun dichte Wälder bilden. Die Araukarien, eine zu den Koniferen zählende Baumart, kommt nur auf der südlichen Hemisphäre vor. Sie trägt keine Nadeln sondern sehr derbe spiralig am Zweig angeordnete Blätter. Es gibt übrigens männliche und weibliche Bäume (siehe Fotos) Araukarienäste

weibliche Araukarie

männliche Araukarie

Araukarie auf dem Weg nach Pehueña

Nach über 50 Kilometern Schotter- und Sandpiste erreichen wir den Lago Aluminé, einen herrlichen, großen Bergsee, der sich uns in tiefstem Blau präsentiert. Nachdem es tagsüber trotz mehrfacher Versuche nicht möglich ist in Villa Pehueña die Hosteria „Al Paraiso“, die wir buchen wollten, zu erreichen, bekamen wir zum Glück noch ein Zimmer in der von Gabi empfohlenen Hosteria „La Balconada“. Der Franke würde zu diesem Etablissement

Blick vom Haus über den Lago Aluminé

sagen, „nicht schlambert!“. Danke Gabi! Das Haus thront auf einem Felsen, etwa 50 Meter  über einer winzigen „2-Mann-Bucht“, zu der steile, provisorische Treppen hinabführen. Der Blick über den See, mit seinen vielen, dicht bewachsenen, kleinen Inseln ist einfach traumhaft. Nachts spiegelt sich der Vollmond im windgekräuselten Wasser des Sees, das sein Licht in viele, kleine, glitzernde Sternchen zerfallen lässt, so dass es wirkt als hätte jemand eine Wunderkerze entzündet. Hier lässt sich’s leben und deshalb legen wir einen weiteren Ruhetag ein.

So eine Reise birgt auch immer Reihe verpasster Gelegenheiten.  Oft kommt man über eine Bergkuppe oder um eine Kurve und es bieten sich einmalige Ausblicke. Man hält aus den verschiedensten Gründen nicht an, sei es weil die Verkehrssituation es nicht erlaubt, sei es in der Hoffnung ein wenig weiter ginge es auch noch, vielleicht sogar besser. Selten entscheidet man sich noch mal zurückzufahren. So habe ich in Peru eine Situation verpasst, die für mich das Foto des Jahres gewesen wäre. Es gibt dort eine Bank mit einem ähnlichen Logo wie bei uns die Sparkasse, also ein großes rotes S auf weißem Grund, das eine Spardose symbolisiert, in die ein Geldstück eingeworfen wird. Immer wieder erscheinen am Straßenrand riesige Reklametafeln dieser Bank mit dem sinngemäßen Spruch, „schließen Sie bei uns einen Kredit ab! Bei uns ist Ihr Geld sicher!“ Und auf solch einem Schild sitzt, auch noch optimal im Halbprofil, ein schwarzer Geier und wartet auf Kundschaft. In entsprechendem Abstand halte ich an, aber bis ich die Kamera schussbereit habe, hat er mir bereits den Rücken zugedreht. Der richtige Zeitpunkt ist verpasst, da hilft auch kein Warten.

Die spanische Sprache wird von Nord nach Süd, von Kolumbien über Chile nach Argentinien im schwieriger verständlich. Hier in Argentinien lassen sie nicht nur das „s“ weg z.B. „potre“ statt „postres“ (Nachspeisen)  sondern sprechen das „ll“ oder das „y“ das üblicherweise wie unser „j“ ausgesprochen wird wie im Englischen das „j“ z.B. in „Jumbo“ ausgesprochen wird.  Nicht einfach für einen Ausländer mit mageren Sprachkenntnissen zu verstehen, aber allmählich gewöhnen wir uns auch daran.

10.12.2011

Nicht zu fassen ist heute Früh eine große Regenwolke im Anmarsch auf unsere Unterkunft aus der auch tatsächlich einige Tropfen das Moto treffen. Bevor wir starten sind die jedoch schon wieder verdunstet. Die ersten 70 Kilometer müssen wir wieder über Sand und Schotter. Als wir schließlich den Asphalt erreichen zeigt sich Patagonien einmal von seiner rauen Seite. Es pfeift ein sehr starker, permanenter, oft böiger Westwind über die Pampa, der uns ständig im gefühlten 45°-Winkel über die Pampa jagt und das so etwa 200 Kilometer weit. Zweimal wirft er das abgestellte Moto fast um. Ansonsten ist der größte Teil der Strecke heute recht eintönig. Die Landschaft ändert sich aber als wir das bezaubernde Städtchen Junín de Los Andes Erreichen. Schon an der ersten Ampel treffen wir einen schwedischen BMW-Fahrer, der mit seiner 800 GS die Reise nach Ushuaia in Panama begonnen hat. Nachdem wir ein angenehmes Quartier gefunden haben fahren wir zur Plaza de Armas um in einem Straßencafé eine Erfrischung zu uns zu nehmen. Kaum sitzen wir richtig fahren die ersten größeren Maschinen an uns vorbei. Es dauert nicht lange da lassen sich die Jungs am Nachbartisch nieder und wir werden mit Fragen überhäuft. Schließlich kommt noch ein junges Pärchen betrachtet und fotografiert unser Moto um mich danach in sehr gutem Deutsch zu fragen wo wir denn herkämen. Es stellt sich heraus, dass er 2 Jahre in Lech / Österreich als Skilehrer tätig war. Auch unseren Schweden treffen wir dort wieder und tauschen Erfahrungen aus. Als wir uns gerade verabschieden kommen hunderte von Motorradfahren über die Plaza gefahren. Eine Bühne wird aufgebaut, die Band macht einen Soundcheck und ein Riesenspektakel beginnt. Der ganze Ort ist plötzlich auf den Beinen. Wir ergreifen die Flucht um noch was einzukaufen und ein Lokal für heute Abend zu suchen.

11.12.2011                                 Kilometerstand:   14 425 km                                                                  Höhe:    820 m

Unsere heutige Tour endet bereits nach etwa 40 Kilometern. Es ist der erste Tag an dem die Sonne nicht scheint. Eigentlich steht heute die 7-Seen-Route nach Bariloche auf dem Programm. Wir haben beide gleichzeitig die Idee die Tour zu unterbrechen um auf besseres Wetter zu warten, das für Morgen prognostiziert ist. Also halten wir in San Martín de los Andes vor der Information um uns eine Hosteria zu suchen. Vor der Info werden wir von Bikern aus der Provinzhauptstadt Neuquén empfangen und mit wertvollen Tipps über die uns bevorstehende Strecke versorgt. Es ist ein Gebiet in das der Wind die Asche des chilenischen Vulkans Puyehue beim Ausbruch im Juni dieses Jahres getragen hat. Bei Trockenheit sollte man im Bereich der Schotterstrecke unbedingt Atemschutzmasken tragen und Augentropfen nehmen. Später treffen wir noch chilenische Motorradfahrer die gerade aus Ushuaia kommen und uns berichten, dass die Strecke gut zu befahren sei. Seit einigen Tagen verliert mein Hinterreifen Luft, komischerweise tagsüber, während der Fahrt kaum oder gar nicht und nachts bis zu 0,5 atü, ohne dass ich bisher einen Nagel oder sonst was entdecken konnte. Glücklicherweise habe ich eine elektrische Luftpumpe dabei mit der ich über die Bordsteckdose wieder die richtigen Druckverhältnisse herstellen kann. Da das Problem aber schlimmer zu werden droht und ich in Südpatagonien nicht mit defektem Reifen dastehen möchte, werden wir von Bariloche aus wieder nach Osorno in Chile fahren um bei BMW den fast nagelneuen Reifen überpüfen zu lassen. Natürlich bin ich in der Lage einen Platten auch selbst zu flicken, aber es muss ja nicht unbedingt sein! Der Ort San Martin de los Andes ist ein malerischer, gepflegter Wintersportort, der den entsprechenden Dörfern in unseren Alpen in Nichts nachsteht. Es herrscht eine ruhige, entspannte Atmosphäre. Im Gegensatz zu unseren bisherigen Erfahrungen wird man in Restaurants und anderswo nicht von ununterbrochen laufenden Fernsehern belästigt.Ein Ort um die Seele baumeln zu lassen.

12.12.2011                                   Kilometerstand:   14 537  km                                   Höhe:   800 m

Wie vom Wetterbericht vorhergesagt ist heute kein Wölkchen am Himmel. Genau das richtige Wetter für die Fahrt über die „Ruta de los Siete

Ruta de los Siete Lagos

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Lagos“, die 7-Seen Route. Es hat sich also in jeder Hinsicht gelohnt einen Tag zu pausieren. Die Fahrt geht zunächst auf guter Asphaltstraße durch eine herrliche, bewaldete Berglandschaft, gesäumt von in voller Blüte stehendem leuchtend gelbem Ginster und abertausenden von Lupinen in allen Farben,  vorbei an traumhaft gelegenen Seen, die in zauberhaften tiefen Blau- und Grüntönen überirdisch wirken. Es herrscht Windstille und die bewaldeten Felsen am gegenüberliegenden Ufer werfen ihr perfektes Spiegelbild auf die glatte Oberfläche der Seen. Im Hintergrund erheben sich schneebedeckte Vulkane, deren Schnee aber sein unberührtes Weiß gegen ein schmutziges Steingrau getauscht hat. Auch rechts und links der .

im Vordergrund Vulkanasche

Straße wir es zunehmend staubiger. Ursache hierfür ist der Vulkanausbruch des Puyhue in Chile im Juni dieses Jahres. Die gigantischen Mengen an Asche wurden vom Westwind nach Argentinien in die Region um Bariloche getrieben. Eine riesige, anhaltende Katastrophe für die Region. Die Weiden waren bis zu 50 cm hoch mit Vulkanasche bedeckt, die Tiere, hauptsächlich Schafe, verweigerten zunächst das Fressen bis sie der Hunger zwang unter der Asche nach Gras zu suchen. Die schwefelhaltige Asche ist natürlich extrem giftig und die Kristallstrukturen in der Asche zerstören im Nu die Zähne beim Kauen. Die Asche lag natürlich auch zentimeterdick auf und in der Wolle. Als es regnete verband sich die Asche mit dem Wasser zu einer zementartigen Masse, die so schwer wurde, dass die Tiere nicht mehr laufen konnten, umfielen und verendeten. Nach Schätzungen von Wissenschaftlern soll die Tätigkeit des Puyhue noch zwei Jahre anhalten. Die letzten etwa 50 km sind sehr gute Schotterstrecke auf der es etliche Baustellen gibt. Tankwagen wässern die Piste um das Stauben etwas zu vermindern. Was für ein gigantischer Aufwand. Je weiter wir nach Süden vordringen desto dichter wird die Aschedecke, abgestorbene Bäume überall. Wenn wir rasten und den Motor abstellen, herrscht eine unglaubliche Stille, nichts rührt sich, kein Vogelgezwitscher, keine anderen Tiere, nicht einmal Ameisen sind zu sehen. Nicht ein Insekt hat sich auf das Visier unserer Helme verirrt, für so ein Wetter äußerst ungewöhnlich. Wie ein steingraues Leichentuch hat sich die Vulkanasche die Landschaft gelegt. Wir finden wunderschön am See gelegene, aschebedeckte Häuschen, die von ihren Besitzern verlassen worden sind. Und trotzdem gibt

aschebedeckte, verlassene Häuser am See

mitten in der Asche blühen Lupinen

die Natur hier nicht auf, durch die Asche hindurch entsteht neues Leben, überall finden wir blühende Lupinen und feuerdornähnliche Büsche in großer Zahl. Obwohl wir während der Fahrt, dort wo es staubt, die Visiere geschlossen halten, spüren wir das Knirschen der Vulkanasche zwischen den Zähnen. Wir erreichen das Städtchen Villa la Angostura wo wir eine kurze Erfrischung zu uns nehmen. Wir sitzen draußen in der Sonne und beobachten die Wassertankwagen bei ihrer Sisyphos-Arbeit. Nach etwa 10 Minuten ist das Wasser wieder verdunstet und es staubt wieder wie zuvor. Während wir in der Sonne sitzen fährt doch so eine bekiffte „Chica tonta“ mit ihrer Rostlaube gegen mein ordentlich geparktes Moto, das zum Glück nicht umkippt und auch sonst keinen Schaden nimmt, Glück gehabt. Als wir aufbrechen wollen werden wir von einem Münchner angesprochen, der hier beruflich für die Uni München unterwegs ist und sich bei Motoventura in Osorno eine F 800 GS gekauft hat und uns einige Tipps für die Gegend geben kann. Wir verabreden uns zum Abendessen und suchen unser Hotel am See auf, wo wir die einzigen Gäste sind. Wir haben auch hier den Eindruck, dass die Menschen in dieser Stadt und der Region um ihr wirtschaftliches Überleben kämpfen. Morgen werden wir wegen des Reifenproblems nach Osorno fahren.

13.12.2011

Obwohl Hochsaison ist sind wir die einzigen Gäste in unserer am See gelegenen Hosteria. Der Besitzer kümmert sich rührend um uns. Das Frühstücksbuffet ist reichlich und wäre für zehn Leute ausreichend. Wie verzweifelt die wirtschaftliche Sitution sein muss zeigt sich auch darin, dass er stolz erzählt, dass er im Januar eine französische Familie für zehn Tage erwartet. Wegen meines Luftverlustes auf dem Hinterrad beschließen wir nicht nach Bariloche zu fahren, wo die Situation noch schlimmer sein soll, sondern nach Osorno / Chile aufzubrechen. Wir nehmen Jörgs Angebot zusammen mit ihm nach Chile zu fahren gerne an, da er sich in der Gegend sehr gut auskennt. Die Fahrt zur Grenze ist wie ein Albtraum. Rechts und links der Straße sind meterhohe Wälle aus Vulkanasche aufgeschüttet. Abgestorbene Wälder säumen die Straße. Von den entlaubten Ästen hängen statt grüner Blätter graue Flechten herab. Ein gespenstiger Anblick. Zwischen den Bäumen liegt ein See dessen Oberfäche von einer dicken Ascheschicht zugedeckt wird. Je weiter wir den Pass hinauf fahren, desto schlimmer erscheint die Situation. Da heute kaum Wind herrscht ist die Sicht extrem schlecht. Um nicht zuviel von der Vulkanasche einzuatmen tragen wir Gesichtmasken und halten um die Augen zu schützen das Visier geschlossen. Nach dem problemlosen Grenzübertritt nach Chile glaubt man schon nach wenigen Kilometern in einer anderen Welt angekommen zu sein.

2 Kommentare

    • Buggi Aigner auf 06.12.2011 bei 14:17

    Hallo, Ihr Zwei,
    freue mich, Euch wohlauf und gut unterwegs.
    Alles Gute
    Buggi und Peter

    • Dynafahrer auf 08.12.2011 bei 20:37

    Hallo,
    ich bewundere Ihren Reisemut und wünsche Ihnen weitere schöne Erlebnisse sowie die nötige Portion Reiseglück. Ganz Klasse finde ich Ihr Durchhaltevermögen auf dem Sozius. Erst gestern habe ich in der Fischküche F. von Ihrer Dreamtour erfahren und bin auf Ihre weiteren Berichte gespannt. Ob Sie wohl in R. oder Umgebung auch live berichten werden?
    Ein Motorradfahrer

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